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November/Dezember 2004, mandat - Fachmagazin für Politik und Verwaltung, S. 48-49
von STEFAN KNOBLICH/ JUTTA GERAY ©
Strom wird teuerer, kündigen die großen Versorger an. Der Kanzler wollte das verhindern, doch der Stromgipfel ist geplatzt. Dennoch sind die
Kommunen keineswegs hilflos. So mancher Kämmerer dürfte trotz des kühlen Herbstwetters Anfang September kräftig ins Schwitzen gekommen sein: Die vier großen Stromversorger
haben empfindliche Preiser- höhungen angekündigt. Einige Städte und Gemeinden haben sich aus der Ohnmacht gegenüber den ehemaligen Monopolisten befreit und können daher in Ruhe den
Jahreswechsel mit der üblichen Festbeleuchtung feiern. Anderen bleiben noch einige Handlungsmöglichkeiten, um dem Preisdiktat der Stromriesen zu trotzen.
Am weitesten gingen die
„Stromrebellen“ im 2.550 Einwohner zählenden Schwarzwald-Städtchen Schönau: Vor sieben Jahren kaufte eine Bürgerinitiative das Stromnetz der Gemeinde und gründete die Elektrizitätswerke Schönau
(EWS) zur Produktion von atom- und kohlefreiem Strom. Inzwischen zählen die EWS bundesweit 26.000 Kunden, schreiben seit einigen Jahren schwarze Zahlen und wurden vom Bund der Energieverbraucher
als der beste Ökostrom-Anbieter in Deutschland getestet. „Wir würden heute das Netz auf alle Fälle wieder kaufen“, resümiert Ursula Sladek, die nach der Tschernobyl-Katastrophe die Initiative
mitgegründet hat, jetzt die Geschäfte der EWS führt und für ihr Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt wurde. Nebenbei entstanden 17 neue Arbeitsplätze „mit ständig wachsender Tendenz“,
ergänzt Sladek.
Die Schönauer erzeugen ihre Energie aus regenerativen Quellen und effizienten Gas-Heizkraftwerken. Mit ihrem Netz können sie dadurch eine weitgehend eigenständige
Preispolitik verwirk- lichen. Zwar liegen die Preise der EWS im Mittelfeld, dafür sind die „Stromrebellen“ an der Spitze in punkto Kundenzufrieden- heit. Auch Unternehmen – wie der
Schokoladenhersteller Ritter – beziehen ihren Strom aus dem Schwarzwald. Als günstigster Anbieter bekam die EWS auch den Zuschlag bei der Ausschreibung der kommunalen Stromversorgung, berichtet
der Schönauer Bürgermeister Bernhard Seger.
Allerdings gibt es einen Wermutstropfen: „Wir bekommen zwar viele Anfragen von anderen Kommunen, konnten aber bislang keine als Kunden
gewinnen“, räumt Sladek ein. Der ehemalige Monopolist der Region, EnBW – erklärt sie - konkurriere bei Städten und Gemeinden mit Preisen, die kaum über den Netzgebühren liegen.
Tipp: Externe Hilfe bei Ausschreibungen Derartige Revierkämpfe über die Preisschraube haben nach der Liberalisierung des Strommarktes zahlreiche kleine Anbieter zur Aufgabe gezwungen. Auf
längere Sicht können die Kommunen daher kurzfristige Preisvorteile teuer zu stehen kommen. Solange es noch genügend Anbieter gibt, lohnt sich ein Preisvergleich.
Die aus den bayrischen
Monopolversorgern hervorgegangene E.ON Bayern AG hatte scheinbar gute Karten, um im Jahr 2002 alle bayrischen Gemeinden, Städte und Landkreise als Kunden halten zu können. Eine scheinbar günstige
Vereinbarung mit dem Städte- und Gemeindetag des Freistaates schien 2.000 kommunale Kunden zu garantieren. Die Konzernmanager staunten nicht schlecht als einige Kommunen trotzdem ihre
Stromversorgung ausschrieben und fielen aus dem weiß-blauen Himmel, als andere Anbieter günstigere Angebote machten. Zuerst schloss der oberfränkische Landkreis Kulmbach einen Vertrag mit dem
Hamburger Ökostromhändler LichtBlick, der mehrheitlich dem Bankhaus Sal. Oppenheim gehört.
Im Jahr 2003 gelang es dem Platzhirsch E.ON seinen Hamburger Nebenbuhler durch einen niedrigen
Kampfpreis wieder aus seinem Revier zu vertreiben. Angebote von mehreren Versorgern einzuholen hat sich für den Kulmbacher Kreiskämmerer Rainer Dippold also gleich zwei mal ausgezahlt. Bei
Ausschreibungen solle - rät er anderen Kommunen – die Unterstützung externer Fachleute gesucht werden. Die Kulmbacher arbeiteten dabei mit der Energieagentur Oberfranken zusammen.
Die Energieagenturen sind auch in einem anderen Zusammen- hang wichtige Ansprechpartner: „Die richtige Reaktion auf steigende Kosten ist das Energie-Sparen durch Contracting“, erklärt die
Sprecherin der Berliner Energieagentur GmbH, Andrea Köhnen. (s.S. 54)
Wenn alles nichts helfen sollte, dann bleibt noch die Beschwerde bei den Kartellbehörden des Bundes und der Länder,
die sich bereits jetzt intensiv mit den Stromversorgern beschäftigen. Durch den Druck des Bundesrates könnte auch die geplante Regulierungsbehörde für den Strommarkt mit größeren Kompetenzen
ausgestattet werden als es vom Bundes- wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) beabsichtigt war. Last but not least gibt es noch Beschwerdemöglichkeiten bei der Strom-Preisaufsicht der
Bundesländer. Zumindest in allen außer Baden Württemberg, wo Landesfürst Erwin Teufel (CDU) die Behörde kurzerhand abgeschafft hat – obwohl die Verbraucher-
preise im Ländle bundesweit am höchsten sind.
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Strom im Netz:
Ausführliche Informationen rund um das Thema Strom bietet der Internetauftritt des Bundes der Energieverbraucher: www.energieverbraucher.de Die Schönauer „Stromrebellen“ sind unter: www.ews-schoenau.de
zu finden. Ihre Geschichte gibt es inzwischen auch als Buch: Patrick Graichen: „Kommunale Energiepolitik und die Umweltbewegung. Eine Public-Choice-Analyse der ‚Stromrebellen’ von Schönau“
(Campus Verlag, Frankfurt/ M. 2003). Der Ökostromanbieter LichtBlick hat zwar in Bayern kommunale Kunden verloren, dafür wird er ab dem kommenden Jahr 1.400 Städte und Gemeinden – vor allem in
Rheinland-Pfalz – neu mit Strom versorgen: www.lichtblick.de.Kontakte zu Energieagenturen, die Unterstützung bei Ausschreibungen und Contracting leisten gibt es auf der Seite des Vereins
der Energieagenturen Deutschlands – EAD e.V. www.energieagenturen.de.
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