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„Energie-Bauchladen“
 oder Vorzeigebau?

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eine gekürzte und redaktionell bearbeitete Version dieses Berichts erschien am:
03./04.05.2003, die tageszeitung (taz): energie & umwelt III

von STEFAN KNOBLICH ©

Die ersten Mieter versuchen trotz des Baulärms im Zentrum Zukunftsenergien Berlin / Internationales Solarzentrum (ZZB/ISZ) zu arbeiten. Dass die Büro-
immobilie einen Bezug zur Sonnenenergie haben soll, ist nicht zu erkennen: Photovoltaik-Module (PV) und Kollektoren sucht der Besucher vergeblich.

Mit einem Meilenstein energiesparender Architektur wollten Verbände und Unternehmer die Welt von der Kraft der Sonne begeistern. Die Visionen waren so verlockend, dass politische Unterstützung und ein Investor schnell gefunden wurden. Das Ergebnis ist eher ernüchternd. Die Beteiligten überfrachteten das Bürogebäude mit ihren Wünschen und Interessen. Langjährige Engagierte sprechen von einer „prototypenhaften Mischung aus Arroganz und Dilettantismus.“

Vor der Backsteinfassade tobt vierspurig der Durch-
gangsverkehr. Das frühere Magazin der Gaswerke schließt zur Straße hin den Innenhof des ZZB/ISZ. Neu errichtet wurden zwei quietsch-grün verkleidete Seitenflügel und ein gläsernes Atrium am Ufer der Spree. Der Eingang gleicht einer verrußten Beton-Tunnelröhre.

Stolz verkündet Martin Bucka, der Projektmanager des Investors HPE, das komfortable Gebäude erfülle den „Niedrigstenergiestandard“. Um den erhofften geringen Verbrauch zu ermöglichen, wurden eine lange Liste von Technik geplant. Ein Kritiker, der sich jahrelang für die Verwirklichung des SolarCenters engagierte, nennt das Ganze einen „Energie-Bauchladen“. Das verglaste Atrium dient als Wärmepuffer. Ein Viertel des Wärmebedarfs soll durch sogenannte „Energiepfähle“ gewonnen werden. Der Neubau steht auf 220 acht bis zwölf Meter tiefen Betonstelzen im Grundwasser. Diese Pfähle nutzen die relativ konstante Wassertemperatur von rund zehn Grad zur Kühlung und zur Erwärmung des Gebäudes.

Der größte Teil des Heizbedarfs wird durch konventionelle Fernwärme gedeckt. Eine erdgasbetriebene Brennstoffzelle soll zusätzlich ein wenig mitheizen und ein bisschen Strom produzieren.

Kühlung für den noch nicht vorhandenen Gastronomie- und Besprechungs-Bereich soll eine Kältemaschine bringen, die durch 140 Quadratmeter Sonnenkollektoren betrieben wird. Damit die riesigen Glasflächen im Sommer nicht zu einem Treibhaus-Klima führen, ist im ersten Obergeschoß der versuchsweise Einsatz von elektrochromen Scheiben geplant. Das Spezialglas ähnelt einer selbsttönenden Sonnenbrille. „Allerdings gibt es bei dieser Technik noch vielfache Kinder-
krankheiten“, räumt der Projektmanager ein.

Der Stromverbrauch des ZZB/ISZ soll trotz Aufzügen möglichst gering sein. Sensoren in den Büros sorgen dafür, dass künstliches Licht nur bei fehlendem Tageslicht und der Anwesenheit von Nutzern zum Einsatz kommt. Den Planungen zufolge werden Solarzellen auf 900 Quadratmeter Dachfläche bei Idealbedingungen eine Leistung von 60 Kilo-
watt Strom erbringen. Für die PV-Anlage stehen zusätzliche 250.000 Euro Fördermittel zur Verfügung.

Wieweit diese Ausstattung tatsächlich funktionsfähig installiert und der geplante Energieverbrauch eingehalten wird, werden die kommenden zwei Jahre zeigen. Im Rahmen des SolarBau Förder-Programms des Bundeswirtschaftsministeriums wird das ZZB/ISZ mit bundesweit über 20 Büro- und Gewerbe-
gebäuden an einem Monitoring teilnehmen. Auf diese Weise wird erforscht, wie komfortable Gebäude mit minimalem Energiebedarf bei geringen Bau- und Betriebskosten ver-
wirklicht werden können. Besonders interessant wird dabei der Vergleich mit Verwaltungsgebäuden, bei denen bereits in der Planungsphase die Zertifizierung nach dem Passivhaus-
standard als Ziel feststand.

Die Mieter des ZZB/ISZ könnten ihre Umzugskisten packen und einziehen. Der Andrang hält sich jedoch in Grenzen. Die Initiatoren und die vorrangige Zielgruppe für den geförderten Teil des Gebäudes - kleine und mittelständische Unternehmen aus der Branche der erneuerbaren Energien können sich die Miete in dem repräsentativen Bau nicht leisten.

Als einer der Ersten zog das „Forum für Zukunftsenergien“ in das vorab fertiggestellte Pförtnerhaus. Alles und Jeder, der im deutschen Energiesektor Rang, Namen und Macht hat, ist in dem Verein vertreten. Von Industrie-Konzernen über die Gewerkschaften, die Politik bis zur Forschung. Dazu gehören auch die Verbände der Atom- und Braunkohlen-Industrie. Da die Vereinigung den sparsamen Umgang mit Energie als Ziel nennt, zahlt sie - trotz der enormen wirtschaftlichen Potenz ihrer Mitglieder - lediglich die subventionierte Miete.

Als weiterer Nutzer der geförderten Flächen ist ein Architekturbüro auf 400 Quadratmetern eingezogen. Der berlin-brandenburgische Landesverband der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) hat 400 Quadratmeter gemietet. Die DGS hat das Veranstaltungsmanagement übernommen. Die Unternehmensvereinigung Solarwirtschaft e.V. nutzt 200 Quadratmeter. Eine Rechtsanwaltskanzlei hat sich ebenfalls angesiedelt.

Neben weiteren mehr oder weniger ökologisch orientierten Mietern wie Panasonic und einem Fertighaushersteller scheint das ZZB/ISZ vor allem für Public Relations Agenturen attraktiv zu sein.

Eines steht bereits jetzt fest: Auch wenn für große Teile des Energieforums in absehbarer Zeit keine Nutzer gefunden werden sollten, haben die Subventionen trotzdem Wirkung gezeigt: Von den rund 1,1 Millionen Quadratmetern in Berlin leerstehenden Büroflächen, werden die Schreibstuben an der Spree den geringsten Energieverbrauch haben. Trotz allem ist der Ingenieur Dieter Uh - der sich jahrelang für ein inter-
nationales Solarzentrum einsetzte – optimistisch: „auch Kinder, die einer schwere Geburt hatten, können groß werden.“

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solarzentrum mit bewegter vergangenheit

1991 entstand die Initiative für ein Internationales Solarzentrum. 1995 wurde die Solar Center GmbH zur Verwirklichung der Idee vom gleichnamigen Verein gegründet.

Weil die Initiatoren des Projektes ein publikumorientiertes Forum schaffen wollten, fiel die Entscheidung für das Areal der ehemaligen Gaswerke gegenüber dem Ostbahnhof.

Die Opus GmbH des Wayss & Freytag-Konzerns wurde als Investor gewonnen. Nach dem Konkurs der Opus übernahm die Hamburger Hanseatica das Projekt und beauftragte die Architekten Bothe, Richter und Teherani.

Schließlich wurden rund 22 Millionen Euro aus der Gemeinschaftsaufgabe Aufbau Ost bewilligt. Dabei wurde das Konzept des Zentrums auch auf die „rationelle Anwendung“ konventioneller Energieträger ausgeweitet, weil die Nutzfläche von rund 19.000 Quadratmetern zu groß für die regenerative Branche sei. Seitdem ist vom Zentrum Zukunftsenergien Berlin/ Internationales Solarzentrum (ZZB/ ISZ) die Rede.

Der Denkmalschutz wehrte sich zwei Jahre lang gegen den Abriss der Seitenflügel. Vor Baubeginn mussten Altlasten für 3,8 Millionen Euro abgetragen werden. Als Vorbild sollte das ZZB/ISZ Bestandteil der Expo 2000 sein. Mit dem Bau wurde allerdings erst begonnen als die Ausstellung vorbei war.

Die Hanseatica ging ebenfalls in Konkurs, ihre Tochter, die HPE Development GmbH führt als Teil des R+V-Versicherungs-
konzerns das Projekt weiter.

Das Verhältnis zwischen den Investoren und der Initiative war Ende der neunziger Jahre so schlecht, dass der Verein und die GmbH ihre Selbstauflösung diskutierten. Der Internationale Beirat ist heute völlig inaktiv, die Initiatoren spielen keine Rolle mehr.

Die Baukosten explodierten von 50 Millionen Mark auf 55 Millionen Euro. Auf dieser Grundlage wurde von der HPE die Miete für die geförderten Flächen berechnet: knapp 13 Euro pro Quadratmeter – der SolarCenter e.V. plante die Hälfte. Im frei finanzierten Teil des Gebäudes verlangt die HPE rund 16 Euro. Soweit aus den Angaben der HPE ersichtlich, wurden für mehr als die Hälfte der Flächen keine Mieter gefunden.
Weitere Infos:
www.solarbau.de und www.energieforum-berlin.de

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